frauen und frieden

Brandstifter Biedermänner, oder Der Krieg beginnt in den Köpfen

Maria Mies



Unter der obigen Überschrift schrieb ich vor genau vor einem Jahr, als der Mord von Theo van Gogh die Gemüter in Europa erhitzte, einen Artikel. In diesem Artikel bezeichnete ich Van Gogh als Brandstifter, denn er wusste, was er tat, als er meinte, er müsste mit seinem Film die muslimischen Frauen befreien. Vor nicht zwei Wochen strahlte CNN eine Filmserie aus über die „European Identity Crisis“. In dieser Reihe wurde die Geschichte um Van Gogh und seine bewusste Provokation, eine Sure auf einen nackten Frauenkörper zu projizieren noch einmal ausführlich dargestellt,  einschließlich der brennenden Moscheen und Kirchen. Und der Filmer wurde als großer Held der europäischen Werte gefeiert.

Heute sind es die Karikaturen des Propheten Mohammed, dessen Turban in einer Bombe endet, veröffentlicht in einer dänischen Zeitung, die in  der ganzen muslimischen Welt Empörung, eine Eskalation der Gewalt und die Forderung nach öffentlicher Entschuldigung durch die dänische Regierung nach sich zieht, was diese ablehnt. Sie begründet diese Ablehnung mit dem Recht auf „Pressefreiheit.“ Inzwischen werden die dänischen Karikaturen, die den Propheten  als Terroristen darstellen, in vielen liberalen und linken Gazetten Europas abgedruckt, mit der selben Begründung, die ich vor einem Jahr schon in bezug auf den Filmemacher Van Gogh gelesen und gehört habe: Solche  Beleidigungen  und Demütigungen einer fremden Kultur seien  durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Wem das nicht gefalle, der gehöre nicht  in unser „aufgeklärtes“ Europa.

Ich frage mich, wo leben wir eigentlich? Wieso merken weder Politiker noch Medien zu welchem Zeitpunkt und in welchem Kontext diese gezielten Provokationen einer ganzen Kulturgemeinschaft stehen? Sehen sie keinen Zusammenhang zwischen diesen dänischen Karikaturen und  dem Konflikt um das iranische Atomprogramm, der bereits jetzt in einen regelrechten Krieg zu münden droht, und zwar in einen Atomkrieg, der beschönigend als „Krieg der Kulturen“ dargestellt wird?

Ein Krieg gegen den Iran ist wie Chossudowsky am 3. Januar berichtet, schon lange in der Vorbereitung. Um jedoch losschlagen zu können, muß auch der Krieg in den Köpfen angezettelt werden. Dazu braucht es die Brandstifter, die als aufgeklärte Bürger auf „ihrem Recht“ bestehen, andere Kulturgemeinschaften  beleidigen zu dürfen.

Zu dieser Brandstifterei gehört auch, dass Herr Chirac „plötzlich“ davon redet, gegen Terroristen müsse man mit Atomwaffen vorgehen können. Oder, dass Herr Scholz, ehemaliger Verteidigungsminister, schreibt, Deutschland müsse eine Atommacht werden.

Jeder weiß dass die amerikanische Regierung den Iran als Schurkenstaat bezeichnet, der Terroristen beherberge. Wer die Begründungen für diese Brandstifterei hören wollte, konnte sich gestern Abend bei Sabine Christiansen einige davon zu Gemüte führen. Da sprachen sich Ralph Giordano und der Vertreter der CDU offen für eine „militärische Intervention“ gegen den Iran aus, um unter anderem die „Modernisierungswünsche“ der iranischen Jugend zu befriedigen.

Das erinnert mich fatal an den „humanitären Krieg“, den die Amerikaner in Afghanistan und im Irak geführt haben, um die Frauen zu befreien. Damals waren die Europäer zwar noch gegen den Krieg im Irak. Die dänischen Karikaturen haben inzwischen aber  schon einen weltweiten Flächenbrand entfacht, der nicht nur die Menschen in muslimischen Ländern eint, sondern nun auch Europa  auf die Seite der Bellizisten zieht. Im Irakkrieg wurden die Europäer in der „Dritten Welt“ noch hoffnungsvoll als die Besseren, als die Friedlicheren betrachtet, auf die sich viele Hoffnungen richteten. Damit ist es bereits jetzt vorbei.

Das passt genau in das Konzept der Kriegstreiber in Amerika. Jetzt haben sie die Europäer endlich mit im Boot für ihren geplanten Atomschlag gegen Iran. Jetzt kann sich Herr Bush zurücklehnen und großzügig daran erinnern, dass man fremde Religionsgemeinschaften doch nicht beleidigen dürfe.

Wenn wir nicht mitverantwortlich werden wollen für diese Kriegsvorbereitungen, dann müssen wir das, was wir heutzutage  als  ideologische Brandstifterei erleben, als das verurteilen, was es ist: Volksverhetzung. Volksverhetzung, die bisher noch jedem Krieg voraus ging. Aber jetzt geht es um einen Atomkrieg.

Maria Mies, Köln, Februar 2006


Atomkrieg gegen den Iran Artikel 1: Zeit-Fragen Nr.2 vom 9.1.2006

Atomkrieg gegen den Iran vom 09.03.2006 16:10:00
" Die Lancierung eines uneingeschränkten Krieges gegen den Iran, bei dem nukleare Sprengköpfe eingesetzt werden, steht jetzt in der letzten Planungsphase. Die Koalitionspartner, einschliesslich der USA, Israel und der Türkei, befinden sich in «einem fortgeschrittenen Bereitschaftsstadium». Verschiedene militärische Übungen wurden seit Anfang 2005 durchgeführt..."
von Michel Chossudovsky